Kuratorin und Künstlercoach Josephine Taraschkewitz verbindet künstlerische Praxis und kulturellen Diskurs mit einem scharfen Blick für aufstrebende Talente und einem starken Engagement für Inklusion. Im Interview reflektiert sie, wie digitale Tools, feministische Themen und regionale Netzwerke ihre kuratorische Vision prägen – und warum ein sinnvoller Dialog, sowohl online als auch offline, wichtiger denn je ist.
Sie arbeiten seit vielen Jahren als Kuratorin und Coach für Künstler. Wie hat sich Ihre kuratorische Arbeit in den letzten Jahren weiterentwickelt, insbesondere im Hinblick auf digitale Entwicklungen und gesellschaftliche Diskurse?
Seit der Pandemie haben digitale Tools und Plattformen zur Präsentation, Diskussion und Vermittlung von Kunst im virtuellen Raum enorm an Bedeutung gewonnen. Mit den Lockdowns und den Einschränkungen des persönlichen Kontakts mussten selbst Skeptiker nachgeben – und sowohl das Experimentieren mit Online-Formaten als auch deren Erfolg nahmen rasant zu.
Instagram und andere Social-Media-Plattformen haben den Markt mittlerweile erobert und prägen ihn maßgeblich. Wer als Künstler, Galerist oder Kurator eine relevante Stimme haben möchte, muss in diesem „Spiel“ präsent sein und aktiv mitwirken. Natürlich findet der gesellschaftliche Diskurs weiterhin persönlich statt – bei Ausstellungseröffnungen oder anderen Live-Events –, aber er entfaltet sich zunehmend auch online. Ich persönlich glaube, dass das Potenzial digitaler Tools noch immer unterschätzt wird.
Eine weitere wichtige Entwicklung ist der Aufstieg der KI. Ihre umfassenderen Auswirkungen – kulturell, sozial, politisch und wirtschaftlich – können wir noch nicht vollständig abschätzen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Künstlern in Ihrer kuratorischen Praxis und wie prägt sie Ihre Ausstellungskonzepte?
Mir ist es wichtig, die Künstler persönlich kennenzulernen. Der Besuch in ihren Ateliers ist für mich meist der erste echte Kontakt – sowohl zu den Künstlern selbst als auch zu ihrer Arbeit.
Bei meinem kuratorischen Prozess versuche ich jedoch, mich nicht zu sehr von der Persönlichkeit der Künstler beeinflussen zu lassen. Mein Fokus liegt weiterhin auf der Sprache der Kunstwerke – die Stücke selbst sollten bei der Auswahl und der Art und Weise, wie sie im Raum installiert werden, im Mittelpunkt stehen.
Was können wir in naher Zukunft von Ihnen als Kurator erwarten? Welche Projekte sind derzeit in der Entwicklung?
Eine derzeit in Planung befindliche Ausstellung trägt den Titel „Beziehungsweisen“ und untersucht die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen und warum sie ein wichtiger und nachhaltiger Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben.
Die heutige Kultur hat sich im Vergleich zu meiner Geburtszeit in den 1990er Jahren deutlich verändert. Ich stamme aus einer Familie mit Wurzeln in Ostdeutschland und glaube, dass Fragen der Identität und Zugehörigkeit im Osten noch immer anders wahrgenommen und verhandelt werden als im Westen.
Ein weiteres zentrales Anliegen ist mir die Stärkung von Frauen in der Kunst. Dazu gehört es, Themen, die unsere Lebenswelt prägen – wie Schwangerschaft, Mutterschaft oder der weibliche Körper –, sichtbar zu machen, in den öffentlichen Diskurs zu bringen und Wissen darüber zu teilen.
Du bist Jurymitglied beim diesjährigen New & Abstract Open Call der KUNST/MITTE. Was findest du an dieser Rolle besonders spannend?
Teil der Entdeckung und öffentlichen Präsentation neuer Talente in der Kunstwelt sein.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem Galeristen von New & Abstract und dem Gründungsteam der Kunstmesse.
Welche Rolle sehen Sie in Kunstmessen wie der KUNST/MITTE für die regionale Kunstszene in Magdeburg und darüber hinaus?
KUNST/MITTE ist eine Plattform für aufstrebende Positionen in der Kunstwelt Mittel- und Ostdeutschlands. Es bietet Künstlern aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Berlin und anderen Regionen Sichtbarkeit, Marktzugang und direktes Engagement.
Kunstmessen sind im Allgemeinen wichtige Orte – für den Verkauf, aber auch für die Resonanz. Sie bieten Künstlern die Möglichkeit, direktes Feedback zu erhalten, authentische Gespräche zu führen und ihre Arbeit durch sinnvolle öffentliche Interaktion weiterzuentwickeln.
Und natürlich ist es auch nicht unerheblich, dass die Messe im Lebenslauf eines Künstlers aufgeführt ist.